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Gemeinsam stark unter der Frauensonne

  • Autorenbild: jovankaruoss
    jovankaruoss
  • 12. März 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Anfang Jahr war ich im Theater. Aufgeführt wurde Maria Stuart. Ein Drama in fünf Akten.


Doch eigentlich hat das Stück 127 Akte und läuft seit 200 Jahren. Zwei Königinnen kämpfen um ihre Macht, wehren sich gegen die Manipulationen der Männer und behaupten sich gegen die Männer in ihrem Umfeld. Die beiden Königinnen könnten sich gegenseitig unterstützen in dieser Männerwelt. 


Tun sie aber nicht. Sie nehmen sich gegenseitig als Gefahr wahr. 


Am Ende kostet diese Wahrnehmung Maria Stuart den Kopf. Heute rollen keine Köpfe mehr, doch wir Frauen nehmen uns nach wie vor gegenseitig oft als Gefahr wahr. Wir bekämpfen uns gegenseitig, sind gegenüber Männern nachsichtiger als gegenüber unseren Geschlechtsgenossinnen und haben oft überhöhte Ansprüche an uns selbst. Während sich die Männer untereinander unterstützen, gönnten wir Frauen uns nicht einmal eine kurze bezahlte Verschnaufpause als frischgebackene Mutter. 


Insgesamt vier Abstimmungen brauchten die Schweizerinnen und Schweizer, bis 2005 der bezahlte Mutterschaftsurlaub eingeführt wurde. 


Wären die Frauen solidarisch füreinander eingestanden, wären die Schweizer Mütter 20 Jahre früher in den Genuss eines bezahlten Mutterschaftsurlaubs gekommen. Unterstützerinnen von damals berichten, dass es vor allem auch Mütter waren, die sich gegen die Einführung des Mutterschaftsurlaubs ausgesprochen hatten. Diese Mütter waren der Meinung, dass sie selbst das ja auch nicht gehabt hätten.


Und sie darum der Beweis seien, dass dies nicht nötig sei.


Ich frage mich, wieso Mütter nachfolgenden Müttern einen bezahlten Mutterschaftsurlaub nicht gönnen wollten. Ich frage mich, wieso wir Frauen uns so wenig Solidarität entgegen bringen. Ich frage mich, wieso wir uns auch heute noch eher bekämpfen als uns gegenseitig unterstützen. Laut der Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach fallen sich Frauen gegenseitig in den Rücken, um einen Platz an der “Männersonne” zu bekommen. 


Die Anerkennung der Männer ist uns oft wichtiger als die gegenseitige Unterstützung.


Gerade unter Müttern findet frau wenig gegenseitige Unterstützung und Verständnis. Gestern habe ich mit einer Mutter gesprochen, die gerade eine schwierige Zeit durchmacht. Sie hat momentan nicht die Energie, die perfekte Mutter zu sein. Die aktuell kranke Tochter verbringt drum mehr Zeit vor dem Bildschirm als in einschlägigen Ratgebern und Foren empfohlen. Sie schämt sich dafür. Sie schämt sich, dass sie nicht die nötige Kraft aufbringt, um mit ihrer Tochter zu spielen oder ihr vorzulesen. Sie fürchtet, dass diese Wochen die Entwicklung ihrer Tochter negativ beeinflussen könnten.


Und sie fürchtet sich vor dem Urteil anderer, im Speziellen von anderen Müttern.


“Mom-Shaming” nennt sich das und bezeichnet den Umstand, dass Mütter für alle möglichen Entscheidungen kritisiert werden. Vom Erziehungsstil über Ernährung bis hin zur Arbeitstätigkeit. In Bezug auf die Arbeitstätigkeit besteht ein gesellschaftlicher Konsens, dass die Mutter arbeiten soll. Aber bitte nicht Vollzeit, weil das schadet dem Kind und zeigt darüber hinaus, dass die Mutter ihre Karriere höher gewichtet als das Wohl des Kindes. Und ausserdem soll die Mutter schon die Hauptverantwortung fürs Kind behalten. Gerade auch dann, wenn das Kind krank ist.


Weil kranke Kinder sind Frauensache. 


Ich bin immer wieder erstaunt, in wie vielen Familien es völlig klar ist, dass die Frau beim kranken Kind Zuhause bleibt. Als könnte sich nur die Mutter um das kranke Kind kümmern. Implizit wird mit dieser Haltung auch zum Ausdruck gebracht, dass der Job der Mutter weniger wichtig ist. Und leider ist das ja auch oft so. 


Zumindest, wenn man den Lohn als Massstab nimmt. 


Noch immer verdienen Frauen weniger als Männer für gleichwertige Arbeit. Klar, sie verdienen auch weniger, weil sie öfter teilzeit arbeiten und öfter schlechter bezahlten Berufen nachgehen. Bei den schlechter bezahlten Berufen handelt es sich oft um Berufe in Pflege und Gesundheit, die gesellschaftlich sehr wertvoll sind. 


Trotz Fachkräftemangel steigen diese Löhne kaum. 


Ich frage mich, ob es auch daran liegt, dass die Medizin immer weiblicher wird. Inzwischen studieren mehr Frauen als Männer Medizin. Das sind schlechte Nachrichten für alle Medizinstudentinnen. Eine amerikanische Studie kam unlängst zum Schluss, dass die Löhne sinken, wenn mehr Frauen in einen Beruf einsteigen - und zwar für dieselben Tätigkeiten, die zuvor von mehr Männern ausgeübt wurden.


Die Männer flüchten sich auf höhere Hierarchiestufen.


Und hindern Frauen am Aufstieg, wie unlängst ein Gerichtsurteil gegen das Inselspital in Bern bestätigte. Wollen wir Frauen mehr Gleichberechtigung, müssen wir für unsere Rechte einstehen und uns gegenseitig unterstützen. Wir sollten uns nicht länger um einen Platz an der “Männersonne” streiten, sondern uns gegenseitig Platz an der “Frauensonne” machen.    



“Each time a woman stands up for herself, without knowing it possibly, without claiming it, she stands up for all women.” Maya Angelou

PS: Eigentlich hätte dieser Beitrag am 8. März zum Internationalen Frauentag erscheinen sollen. Leider war ich an diesem Tag selbst auf der Suche nach einem Plätzchen an der Frauensonne. 


 
 
 

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