Es wird einsamer auf meinem Berg
- jovankaruoss
- 7. Feb. 2023
- 3 Min. Lesezeit

Mein Geburtstag steht vor der Tür. Ein ganz gewöhnlicher, kein runder.
Gemäss unserer Familienregel dürfte ich 42 Freunde einladen! Doch ich habe keine 42 Freunde. Nicht mehr. Mein Freundeskreis hat sich in den letzten Jahren stetig verkleinert. Freunde sind weggezogen, wir sind umgezogen. Nur wenige sind neu dazugekommen. Je älter wir werden, desto komplizierter wird es, Freundschaften aufrecht zu erhalten oder neue Freundschaften zu knüpfen. Langjährige Freunde passen plötzlich nicht mehr ins Leben, sind nicht mehr kompatibel mit der neuen Lebensrealität.
Lebensentwürfe ändern sich, gemeinsame Wege trennen sich.
Die wenigsten Freundschaften gehen mit einem Knall zu Ende. Oft ist es ein schleichender Prozess, den man anfangs gar nicht bemerkt. Die Treffen werden seltener, die Telefonate folgen in immer grösseren Abständen und die Nachrichten werden mit viel Verzögerung beantwortet.
Manche Freundschaften halten das aus, andere geraten in Schieflage.
Es gibt Freundschaften, die auf einem so stabilen Fundament stehen, dass sie selbst jahrelange Funkstille überleben. Es gibt Freunde, die man selten sieht und es sich trotzdem anfühlt, als hätte man sich erst gestern gesehen. Es gibt Freunde, die man selten sieht, die aber irgendwie immer da sind, denen man sich immer verbunden fühlt.
Meistens sind das die Freunde aus der Kinderheit.
Die vielen Stunden, die man als Kinder zusammen verbracht hat, schweissen zusammen. Die überwundenen Streitigkeiten, die achtlos an den Kopf geworfenen “du bist nicht mehr mein Freund, meine Freundin” haben die Verbindung zueinander gestärkt. Es sind diese Freunde, die uns wirklich kennen.
Die unser wahres Ich kennen. Unser verletzliches Ich.
Das verletzliche Ich, das uns als Jungendliche den Weg zur coolen, lässigen Gruppe versperrt hat. Das verletzliche Ich, das uns pickelig aus dem Spiegel angeschaut hat. Dem wir mit Abdeckstift und viel Coolness begegnet sind, damit es nicht länger zwischen uns und dem vermeintlichen Glück stehen konnte.
Für dieses verletzliche Ich, für das ich jahrelang eine Maske angefertigt habe.
Eine Maske, hinter der ich mich fortan verstecken konnte. Eine Maske, an der ich mit viel Hingabe gefeilt habe, bis sie mehr und mehr mit mir verschmolzen ist. Eine Maske, die mir den Zugang zur coolen, lässigen Gruppe ermöglichen sollte. Da sass ich dann als Jugendliche, in Markenhosen eines bestimmten Jahrzehnts und einem extra lässig gelangweilten Gesicht und langweilte mich.
Die perfekte Maske passte nicht.
Sie passte nicht zu mir. Und ich passte nicht zu den lässigen Jugendlichen. Die Professorin Brené Brown unterscheidet zwischen “belonging” und “to fit in” – “dazugehören” und “dazupassen, reinpassen”. Dazugehören bedeutet akzeptiert werden für die Person, die wir sind. Dazupassen, reinpassen bedeutet dafür akzeptiert zu werden, dass man sich passend macht.
Ich wollte nicht bloss reinpassen, ich wollte dazugehören.
Wahre Zugehörigkeit erfordert jedoch, dass man sich zeigt, wie man ist, dass man auch die verletzlichen Seiten preisgibt. Mit dem Eintritt in die Pubertät ist das allerdings ungefähr das Letzte, was wir machen möchten. Die Angst vor Ablehnung oder nicht angenommen werden ist zu gross. Es fällt uns uns schwerer und schwerer unsere Gefühle zu zeigen.
Es fällt uns schwer zu zeigen, wer wir wiklich sind.
Wir haben Angst, als schwach und verletzlich wahrgenommen zu werden, als nicht cool, nicht kompetent. Wir verstecken unsere Gefühle, betäuben sie mit allen möglichen Tricks. Am Ende führt dies nicht nur zu einer Distanz zu anderen, sondern auch zu uns selbst. Wir vergessen das verletzliche Mädchen, den verletzlichen Bub, der am Anfang der Pubertät Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Austausch suchte.
Wir Menschen sind soziale Wesen.
Wir brauchen den Austausch als Spiegel unserer selbst. Der Austausch mit Freunden hilft uns, uns selbst zu erkennen, zu reflektieren und uns weiterzuentwickeln. Zugehörigkeit, Verbundenheit und Gemeinschaft sind nur möglich, wenn wir mutig sind und zeigen, wer wir wirklich sind. Wollen wir nicht alleine auf unserem Berg des Lebens stehen, müssen wir bereit sein, unsere Masken abzulegen oder unsere Mauern abzubrechen.

Verbundenheit ist der Grund, aus dem wir hier sind. Wir sind Beziehungswesen; Beziehung gibt unserem Leben Sinn und Bedeutung, und ohne sie leiden wir. Brené Brown
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