Mein Stolz auf die humanitäre Tradition der Schweiz auf dem Prüfstand
- jovankaruoss
- 25. März 2022
- 2 Min. Lesezeit
Heute morgen habe ich mich fast am Kaffee verschluckt: “Bund hat bis anhin mehr als 5 Milliarden Franken blockiert”. Ich musste zuerst mal überlegen, wieviel denn 5 Milliarden so sind. Zum Glück habe ich über fünf Jahre geholfen, die vom Schweizer Volk genehmigte Kohäsionsmilliarde auszugeben. Insgesamt hat der Erweiterungsbeitrag mit 1.3 Milliarden rund 250 Projekte in 13 Ländern unterstützt. Das bis jetzt blockierte Geld ist beinahe fünf Mal so viel wie der Erweiterungsbeitrag. Mit fünf Milliarden könnte man locker 1000 Projekte unterstützen und viel Gutes tun.
Gutes tun. Als Schweizerin bin ich immer wieder stolz auf unsere humanitäre Tradition. Alija und Naim wissen, wer Henry Dunant war. Sie wissen, dass das Rote Kreuz auf seine Inititative zurück geht. Seit Putins Invasion in die Ukraine wissen sie auch, dass es spezielle Regeln im Krieg gibt: Die Genfer Konventionen, die momentan mit Füssen getreten werden. Vielleicht halten sich die Ukrainer auch nicht immer an das Kriegsrecht, mag sein. Aber ein Spital bombardieren? Bewusst die zivilie Bevölkerung angreifen oder zumindest grosszügig in Kauf nehmen? Das verstösst gegen mehrere Genfer Konventionen.
Johannes und ich haben vor ein paar Tagen mit Schrecken festgestellt, dass der Ukrainekrieg wieder in den Hintergrund gerückt ist, wir schon wieder abgestumpft sind. Die Meldungen in den Nachrichten haben sich wiederholt. Die Russen sitzen immer noch vor Kiew, Mariupol ist zerbombt und in Charkiw sieht es auch düster aus. Einige Journalisten wurden verletzt oder sind gestorben. Jede einzelne Nachricht ist tragisch. In Berkeley sind wir weit weg, wenig betroffen. Doch diese Woche ist der Krieg wieder in unseren Fokus gerückt. Die Mutmassungen über einen möglichen Einsatz von Chemiewaffen oder gar Atomwaffen machen uns grosse Angst.
Fünf Milliarden. Nun gut, man kann sagen, dass die reichen Menschen, die dieses Geld in der Schweiz in hübsche Chalets investiert oder auf Bankkonten parkiert haben, nichts dafür können, dass sie momentan grad den falschen Pass besitzen. Dass sie ja nichts dafür können, dass in ihrem Heimatland grad ein Wahnsinniger seit Mai 2000 – mit einer kurzen vierjährigen Unterbrechung im Schatten – an der Macht sitzt. Nur, die Frage ist halt schon, wieso es diese Russen (sogar!) auf die Sanktionsliste der Schweiz geschafft haben. Die haben sich ihr Geld sicher hart erarbeitet. Oder sie waren zumindest clever.
Clever war auch die Schweiz mit ihrer Neutralität und dem Bankgeheimnis. Zwar wurde Anfang 2017 das Bankgeheimnis offiziell aufgehoben, doch dies hat nicht dazu geführt, dass sämtliche dubiosen Gelder aus der Schweiz abgezogen worden wären. Zumindest fünf Milliarden sind noch da. Wie gut, dass die Schweiz viel Erfahrung im Zurückführen von illegalen Vermögesnwerten hat. Das International Centre for Asset Recovery am Basel Institute for Governance arbeitet mit Ländern auf der ganzen Welt zusammen, um deren Kapazitäten für die Rückführung illegaler Vermögenswerte zu stärken. Momentan ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um mit der russischen Regierung zu schauen, dass die eingefrorenen Vermögenswerte ihren Weg zurück nach Russland finden. Bis es soweit ist, werden wir die Vermögenswerte neutral verwalten…
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