Gleichberechtigung hört nicht beim Bankkonto auf.
- jovankaruoss
- 8. März 2023
- 2 Min. Lesezeit
Johannes ist dein lucky punch, dein Glückstreffer, meinte meine Schwester bei unserem letzten Treffen. Sie bezog sich auf seine Qualitäten als Koch, Wäschefalter und Vorleser.
Ich war etwas irritiert ob der Aussage. Klar kocht Johannes, wäscht, faltet Wäsche und bringt die Kinder ins Bett.
Aber ist er deswegen gleich ein lucky punch, ein Glückstreffer?
Anscheinend ja. Noch immer leisten Frauen mehr Haus- und Sorgearbeit als Männer. Selbst dann, wenn beide Partner arbeitstätig sind und keine Kinder rumspringen. Die gerechte Aufteilung der Hausarbeit scheitert bei vielen bereits in der ersten gemeinsamen Wohnung.
Der Einzug in die gemeinsame Wohnung geht bei vielen Paaren damit einher, dass die Frau mehr Zeit für Kochen, Putzen und Einkauf aufwendet. Oft wird das damit begründet, dass frau es halt sauberer mag, mehr Wert auf die Ernährung legt und besser kocht. Der Herr würde ja schon, doch wenn er putzt, ist es nicht sauber genug und beim Einkauf verwechselt er regelmässig die Zucchetti mit der Gurke und bringt Unmengen Bier heim.
Also erledigt frau die Dinge lieber selbst.
“Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein”, denkt die Frau. Und in der Tat ist das bisschen Haushalt in einem Paarhaushalt überschaubar. Die gemeinsam bezahlte Putzfrau tut ihr Übriges. Und so hüpfen viele Frauen, ohne sich viele Gedanken zu machen, alleine über die erste Hürde.
Mit dem ersten gemeinsamen Kind erhöht sich die Hürde. Das bisschen Haushalt wird plötzlich ein bisschen mehr Haushalt, und dazu kommt die Kinderbetreuung. Mit Kinderwagen im Schlepptau wird die Hürde zum unüberwindbaren Hindernis.
Also muss das Kind in die Trage, damit es beim Staubsaugen und Kochen schaukelnd den Schlaf findet und die Mama mit Akrobatikübungen die Hürde meistert.
Nach dem offiziellen Mutterschaftsurlaub geht es für die Mama zurück an die Arbeit. Die Karriere wartet nicht. Das Hindernis hat eine weitere Latte gekriegt, die manche Mütter zu weiteren Höchstleistungen anspornt, und andere erschöpft zurücklässt.
Plötzlich finden sich viele Mütter in einer Rollenverteilung wieder, die sie so nie gewollt haben, selbst wenn sie arbeiten und finanziell unabhängig sind.
Die Gleichberechtigung hört nicht beim Bankkonto auf.
Gemäss dem Bundesamt für Justiz gehört es auch zu den ehelichen Pflichten, dass sich die Eheleute über die Aufgabenteilung in der Ehe gemeinsam einigen. Doch die wenigsten (Ehe-)Paare tun das explizit. Die Aufgabenteilung passiert schleichend. Unser nach wie vor traditionell geprägtes Rollenverständnis von Mann und Frau führt dazu, dass auch viele emanzipierte Frauen hinter den Kulissen den Haushalt schmeissen und die Kinderbetreuung organisieren.
Viele Männer sind sich nicht bewusst, was hinter den Kulissen alles abgeht.
Sie sind sich nicht bewusst, dass sich die Zutaten für den Geburtstagskuchen nicht selbst abwiegen und zu einem Kuchenkunstwerk formen. Dass die Winterstiefel vom letzten Jahr sich nicht selbst aussortieren und die neuen nicht von Zauberhand pünktlich zum ersten Winterschmuddelwetter parat stehen. Wie sollten sie sich dem auch bewusst sein, wenn frau alles diskret den Heinzelmännchen delegiert?
Es wird Zeit, dass wir Frauen unsere Männer aufklären und ihnen verraten, dass es nicht die Heinzelmännchen sind, die unsere Wippe im Gleichgewicht halten. Es wird Zeit, dass wir von der Wippe steigen und gemeinsam überlegen, wie die Gewichte verteilt werden, sodass jeder mal oben, mal unten ist, sodass wir uns gegenseitig in die Höhe wippen können und damit spielend gemeinsam die Hürden meistern.

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